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Grenzskulptur
September 11, 2023
GrenzenWeltansichten und Normen

Grenzen überwinden

Grenze-Dreiländereck-Skulptur

Gestern war ich wieder nach langer Zeit in Basel, dort, wo der Rhein von der Schweiz Abschied nimmt. Hier steht immer noch die hässliche Skulptur, mit drei spitz gewundenen Flügeln, die in die Höhe stechen. Ich war schon mal hier, erinnerte ich mich, genau vor 55 Jahren mit unserem Primarlehrer. Ich lief damals um die Figur herum und war im Glauben, dass ich auf meiner Schulreise drei Länder besucht hätte. Doch seit gestern weiss ich es besser. Ein Fährmann, den ich traf, klärte mich auf.  Die richtige Grenze läge nicht hier, sondern da drüben, und er zeigte mit ausgestrecktem Arm Richtung Frankreich. Ich frage mich nun im Nachhinein, ob es da drüben in Frankreich und Deutschland weitere solche Fake-Grenzskulpturen gibt, wo ebenfalls Schulkinder und Touristen darum herum gehen können.

Die Faszination von exponierten Landschaftspunkten

Warum besuchen Menschen gerne solche Grenzorte, Bergspitzen, heilige Orte oder äusserste Felspunkte wie zum Beispiel das Nordkap? Ich besuchte ihn beinahe vor 20 Jahren, diesen einsamen Fels auf einer Hurtigruten-Tour. Man hätte einen teuren Abstecher dorthin machen können. Ich sah keinen Grund, weshalb. Das Wetter war neblig und kalt. Was soll ich auf einem einsamen Feld tun? Und wer garantiert mir, dass es da nicht noch weitere Felsen gibt, die noch nördlicher liegen, zum Beispiel die Spitzbergen? Ich bin jemand, der alles immer ein wenig hinterfragt, vor allem wenn man von mir dafür etwas verlangt.

Grenzen überschreiten ist gefährlich

Bis vor 150 Jahren wagten sich Menschen kaum aus ihre nächsten Umgebung. Denn draussen war es gefährlich. Man fürchtete sich vor allem, sei es vor Wegelagerern oder Geistern und Göttern, die auf den hohen Bergspitzen und Schluchten hausten. Menschen blieben im vertrauten familiären und dörflichen Kreis. Ab und zu besuchte man vielleicht das Nachbarsdorf und lernte dort den künftigen Ehepartner kennen. So erging es auch meiner Grossmutter Franziska, die in die nahe Stadt zum grossen Fest fuhr, um der Enge des kleinen Bauerndorfs zu entfliehen. Sie traf dort auf den kräftig und gross gewachsenen Max, der ebenso wie sie katholisch war. Welch ein Glück für die Beiden. Angeblich passten ihn dann die Dorfburschen ab, als er sie das erste Mal im Dorf besuchen kam. Sie liessen aber schnell wieder von ihm – wie sie stolz berichtete – denn er war einen Kopf grösser und viel stärker als die kleinen Bauernbuben.

Grenzen überschreiten bringt dich weiter

Wie man oben liest, kann die Überschreitung von räumlichen Grenzen Gewinn und Glück bringen, aber im schlimmsten Fall auch den Tod. Doch ohne grenzüberschreitenden Austausch würde keine Entwicklung stattfinden. Das gilt sowohl für das Denken als für das Handeln. Gesunde Babys und Kinder lernen mit zunehmendem Alter und Geschicklichkeit, ihren Kreis zu erweitern und erforschen neugierig ihr weitere Umgebung. Sie probieren Dinge aus, die sehr gefährlich sind. Das Risiko begleitet uns durch das ganze Leben. Die Lust am Entdecken ist individuell sehr verschieden ausgebildet, sei das genetisch oder durch das Lernen an Vorbildern. Diese Unterschiede gab es schon immer. Man denke an die Händler, die Schausteller, die Söldner, die Entdecker oder die Missionare. Sie suchten das Neue und trachteten wohl ab und zu auch nach Ehre und Einfluss.

Die Überwindung von eigenen Grenzen bringt dich weiter

Jeder Mensch soll seinen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit entsprechend wachsen dürfen, und zwar dorthin, wo er möchte und nicht etwa dorthin, wo ihn die «Arbeitsgesellschaft» haben möchte. Ich denke hier an das aufgezwungene «Lernen», das immer mehr durch Arbeitgeber eingefordert wird, aber nicht mit der eigenen Lust zu tun. Nur freies und intrinsisches Lernen bringt dich persönlich weiter.