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Februar 29, 2024
ASS

Ambiguität und Autismus

Ambiguitätsintoleranz und Autismus

Inzwischen sind schon mehr als 30 Jahren vergangen, als ich den Begriff Ambiguität zum ersten Mal von meinem Professor im Psychologie-Studium hörte. Ambiguität bedeutet Mehrdeutigkeit oder Widersprüchlichkeit. Diese zu ertragen – so prognostizierte er – werde in Zukunft wichtiger werden, weil auch die Komplexität der Gesellschaft wachsen werde. Wie recht er doch hatte. Und wenn man Mühe hat Ambiguität zu ertragen, wie ich damals, spricht man von Ambiguitäts-Intoleranz. Ich hatte sehr hohe Ideale und strebte nach dem Guten und Korrekten. Das ist typisch für die Jugend und viele Studenten, die sich gegen gesellschaftliche Missstände auflehnen. Die Vorzeigeikone ist Greta Thunberg.

Asperger-Autisten können nicht lügen

Greta Thunberg spricht offen über ihre Asperger-Autismus-Störung. Weil Autisten mit Widersprüchen schwer umgehen können, reagieren sie oft mit Wut, Sturheit oder Angst. Sie streben nach Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Ich nehme an, dass Greta nie pokern würde, weil man seinem Gegenüber etwas vorschummeln muss. Mir fällt dazu eine Szene ein, die ich mit einem Freund F. erlebte. Wir spielten das Lexikonspiel, wo es darum geht Begriffe auszuwählen, von dem annimmt, dass sie die Mitspieler nicht kennen. Nun geht es darum zwei Fantasie-Erklärungen neben einer korrekten zu erfinden. Danach werden alle drei Begriffe mit ihrer Bedeutung in überzeugender Stimme der Runde vortragen. Die Mitspieler müssen herausfinden, welche Herkunftsbeschreibung die Korrekte ist. Meinem Freund war es unmöglich, einfach so etwas «Falsches» zu erfinden. Er ist sicher kein Autist, und trotzdem hat er gewisse autistische Züge.

Die Grenzen zwischen «Normalen» und Autisten sind fliessend

Es stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen normalem oder autistischem Verhalten verläuft. Vermutlich dort, wo eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Das Spektrum ist riesig. Mein Freund F. kann seinen technischen Beruf auf alle Fälle gut ausüben und das mit grosser Zuverlässigkeit. Wir kennen sicherlich alle Menschen, die stur, unflexibel oder eigen sind. Man macht sich gerne lächerlich über den «Buchhalter-Typ» oder den Nerd wie in der Fernsehserie: The Big-Bang-Theorie. Dabei leisten autistische Menschen oft sehr wichtige Grundlagenarbeit und sind in den verschiedensten Berufe zu finden wie zum Beispiel Kontrolleur, Buchhalter, Mathematiker, Informatiker oder Physiker.

Autisten können sich nicht «verkaufen»

Es ist wichtig zu wissen, dass Asperger-Autisten ihr Verhalten und Fühlen nicht einfach so ablegen können. Da nützt auch kein persönlicher Entwicklungsplan oder geduldiges Zureden. Hingegen können gezielte strukturelle Arbeitsplatzgestaltungsmassnahmen und ein umfassendes Verständnis für die Symptomatik dieser Menschen helfen. Personalverantwortliche und Vorgesetzte sollten das Wissen haben, um ihre autistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am bsten fördern zu können. Autisten haben nun mal grosse Mühe, sich in Bewerbungsverfahren gut verkaufen zu können. Sie können nichts vorgaukeln, weil es ihnen zutiefst zuwider ist.