
Von der sprudelnden Quelle bis zum ruhigen Strom
Das gemächliche Fliessen, wie es grosse Ströme im weiten Flachland tun, ist für ADHSler kaum zu ertragen. Es langweilt sie zu Tode. Viel spannender ist es für sie, an der Quelle zu sein, wo das Wasser aus dem Berg drückt – vor allem das Danach, wo das Wasser frei, getrieben durch die Schwerkraft, seinen Weg sucht. Hier geht es über Stock und Stein, zwischen Spalten, durch Schluchten und über Felskanten immer tiefer ins Land. Das Schnelle, Sprudelnde und Fallende ist genau ihr Ding, weil es gefährlich ist, und weil es Dopamin produziert. Das Suchtmittel von Abenteurern, Katastrophenhelferinnen und Revolutionären. Diese Menschen haben oft die Diagnose ADHS.
Sucht und ADHS
Die Suche nach dem Thrill ist also etwas sehr Typisches für ADHSler. Fehlt es ihnen an Herausforderungen, ist der Griff zu Suchtverhalten und Substanzen nah. Leider besteht bei ihnen ein übergrosses Risiko zur Suchtkrankheit. Die Frage ist, wie man die Sucht nach aussergewöhnlichen Sinneserfahrungen sonst stillen kann, ohne dass sie ihre Gesundheit gefährden. Ihre innere Unruhe kann psychotherapeutisch und medikamentös behandeln werden. Eine bessere Lösung ist allerdings, dass man den passenden Beruf oder eine stimmige Freizeitaktiviät findet. Und nicht zuletzt verständnisvolle Menschen…
Medikamente beruhigen ADHSler
Nicht alle ADHSler sind jedoch gefährdet. Viele finden die richtige Balance zwischen äusserer Struktur und Gestaltungsfreiheit. Ebenso müssen sie lernen, gegenüber ihrer Umwelt sensibel zu kommunizieren und ihre spontanen Gefühle und Gedanken im Zaun zu halten. Mit der Einnahme von Medikamenten wie Ritalin oder Medikenet gelingt es ADHSler einfacher, die sozialen Erwartungen zu erfüllen und innere Ruhe zu finden. Ihr unmittelbares Umfeld schätzt es, weil sie weniger «überfahrend» sind und besser zuhören können. Natürlich kann man zurecht gegen diese auferlegte Regulierung sein, denn man wird angepasster und ruhiger.
Ich persönlich halte ADHS nicht für eine klassische Krankheit, aber für eine Behinderung in einer hochregulierten Gesellschaft. ADHSler sprengen oft Grenzen, auch im Konsum von «Drogen», die ihnen eine Kick geben.
Ohne ADHSler wäre die Welt langweiliger
Wir dürfen auf der andern Seite nicht vergessen, dass ADHS betroffene Menschen massgeblich die Gesellschaft vorwärtsgebracht haben. Ohne sie wären wir wohl immer noch einfache Bauern und Sammler. Ohne sie hätte es nie Entdeckungen gegeben und auch keine herausragenden Künstler. Sie sehen die Welt anders und können uns immer wieder den Spiegel vorhalten und uns weiterbringen. Einfache Zeitgenossen waren sie nie! Aber wer möchte auf sie ganz verzichten? Sie können herrlich unverschämt und lustig sein. Es sind geborene Komödianten und Unterhalter, die uns helfen, vom grauen Alltag zu entfliehen. Ohne sie wäre die Gesellschaft definitiv langweiliger.