
Was bedeutet der Begriff «Morbidität» im Zusammenhang mit AD(H)S
Als ich den Begriff Co-Morbidität zum ersten Mal hörte, erschrak ich, denn er klang ähnlich wie mortaliät (für sterbend), der mir bereits bekannt war. Dass nun Morbidität in Verbindung mit AD(H)S gebracht wird, machte die Sache auch nicht leichter, im Gegenteil. Beim Suchen im Internet stösst man dann auf den lateinischen Begriff «morbidus», der so viel wie krank bedeutet. Das führt zur Frage: Was ist denn krank? Auf der Website des BAG (Bundesamt für Gesundheit) findet man dazu eine Auflistung. ADHS wird hier nicht explizit erwähnt. Man könnte AD(H)S hier am ehesten den «Psychischen Erkrankungen» zuordnen. Die Definition des BAG lautet: «…sie entsteht aus dynamischen Interaktionen zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren…».
Komorbität und ADHS
Co-Morbiditäts-Erkrankungen treten gemäss der medizinischen Fachliteratur oft begleitend zu ADHS auf. Zum Beispiel seien das: Suchterkrankungen, Schlafstörungen, Bipolare Störungen, etc.. Viele dieser Begleiterkrankungen entstehen wohl deshalb, weil die Betroffene nur in ungenügendem Mass den arbeits- und gesellschaftlichen Normerwartungen genügen und deshalb sehr leiden, die schliesslich auch in eine Depression münden können. Doch auf der anderen Seite gibt es genau bei diesen Menschen eben oft auch sehr erfolgreiche, weil eben ihre Wahrnehmung das Normspektrum sprengt. Sie haben Sichtweisen, die «Normale» nicht einnehmen können. Dank ihrem Hyperfokus können sie Höchstleistungen erzielen. Der Fernsehstarkoch Jamie, Bill Gates und auch Albert Einstein hatten eine AD(H)S-Diagnose.
Ethnologische Sicht zu Krankheit und ADHS
Aus ethnologischer Sicht wird Krankheit erneut anders gedeutet. Hier spielt der kulturelle Prozess eine wesentliche Rolle. Der Verein «Medicus Mundi Schweiz» MMS, Gesundheit und Krankheit, 2023) veröffentlichte in ihrem MMS Bulletin#100 einen spannenden Aufsatz von Peter Eeuwijk und Brigit Obrist. In der Einleitung schreiben sie: «…Es ist heutzutage unbestritten, dass Kultur auch in Bezug auf Medizin eine bedeutende Rolle spielt…». Nimmt man also eine holistische Sichtweise ein, müssen die Bewertung der gesellschaftlichen Ordnung und Erwartungen immer mit den herrschenden gesetzlichen Machtstrukturen in Relation gesetzt werden. Die derzeitige «woke-Bewegung» sensibilisiert auf Vernachlässigungen von Menschengruppen, die nicht den traditionellen Normerwartungen entsprechen. Menschen mit ADHS gibt es überall, in jeder Nation un Kultur. Nur sind die Bewertungen und damit die «Behandlungsmethoden» jeweils anders oder gar nicht vorhanden. In unseren mittel- und nordeuropäischen Ländern sind die Leistungser-wartungen anders als in den mediterranen oder afrikanischen Kulturen. Medizinische Behandlungen von AD(H)S Betroffenen Menschen gibt es hier praktisch nicht, weil hier andere Massstäbe gelten.
Fazit
AD(H)S Diagnosen mit ihren Begleiterkrankungen haben eine Relevanz in unseren Breitengraden, weil die Betroffenen hier wirklich leiden. So sehr, dass sie oftmals noch weitere Krankheits-Symptome entwickeln. Wir Menschen sind soziale Wesen, die den Zuspruch und die Anerkennung von Mitmenschen benötigen. Ich betrachte ADHS nicht als eine Krankheit im üblichen Sinn. Denn klar ist auch, ohne sie gäbe es viel weniger Innovationen, ganz bestimmt.